Gesundheit Nord Klinikverbund Bremen

Nervenkitzeln als schmerzhafte Geduldsprobe

Klinikum Bremen-Ost

Mareile Hankeln erkrankt am Guillain-Barré-Syndrom und findet in der Neurologischen Frühreha am Klinikum Bremen-Ost zurück ins Leben

 

 

GBS-Patientin Mareile Hankeln (Fotos: Kerstin Hase und privat)

Als Mareile Hankeln sich von ihrem zehn Monate alten Sohn verabschiedet, weiß sie noch nicht, dass sie ihn mehr als zwei Monate lang nicht wiedersehen wird. Die Bremerin ist auf dem Weg in die Notaufnahme. Seit einigen Tagen hat sie Schmerzen in der Schulter, ihre Hände und Füße kribbeln, Bewegungen fallen ihr immer schwerer. Die Beine sacken ihr weg. Mehrere Arztbesuche bringen sie nicht weiter. Und nun also der Weg ins Krankenhaus, um endlich Klarheit zu bekommen.

 

„Niemand konnte mir bis dahin erklären, was eigentlich mit meinem Körper los ist“, erinnert sich Mareile Hankeln. Doch die Ärzte im Krankenhaus brauchen nicht lange für einen ersten Verdacht, der sich schnell bestätigen soll. Mareile Hankeln leidet unter dem Guillain-Barré-Syndrom, kurz: GBS. Eine schwere Nervenerkrankung. Im Klinikum Bremen-Ost wird sie nun mehr vier Monate ihres Lebens verbringen. Sie wird erfahren, wie es ist, sich nicht mehr rühren und auch nicht mehr selbst atmen zu können. Sie wird höllische Schmerzen aushalten müssen. Und sie wird wieder Zuversicht tanken. In der Neurologischen Frührehabilitation, einer in Bremen einzigartigen Spezialabteilung für Neurologie-Patienten, wird sie das Atmen, Bewegen, Essen und Sprechen erst wieder mühsam lernen müssen.

 

Beim Guillain-Barré-Syndrom handelt es sich um eine Entzündung des Nervensystems. „Besonders die Nervenwurzeln im Bereich des Rückenmarks sind davon betroffen. Binnen Tagen, Wochen und Monaten kann es zu starken Lähmungen kommen“, erklärt Prof. Dr. Andreas Kastrup, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Bremen-Ost. Statistisch erkranke nur einer von 100.000 Menschen an diesem Syndrom, das alles andere als spurlos an den Betroffenen vorübergehe und auch tödlich enden könne. Bei Mareile Hankeln entwickelt sich die Krankheit besonders schnell und heftig. Erst die Schmerzen, dann das fehlende Gefühl in den Händen. Als nächstes spürt sie ihre Beine nicht mehr. Dann wird auch der Rest des Körpers taub. Mareile Hankeln muss intubiert werden – also künstlich beatmet –weil nun auch die Atemmuskulatur von der Lähmung betroffen ist.

 

„Das Schlimme dabei ist: Man verliert sämtliche körperliche Fähigkeiten. Doch der Verstand ist halt trotzdem noch da“, sagt sie. Es gibt keine Garantie, dass sie wieder vollständig gesundwird. Im Klinikum Bremen-Ost ist sie in den besten Händen. Die Klinik für Neurologie ist spezialisiert auf die Diagnostik, Therapie und auf die frühestmögliche Rehabilitation schwerster neurologischer Erkrankungen. Doch an eine Reha-Zeit ist im Fall von Mareile Hankeln noch lange nicht zu denken. Nach acht Wochen auf der Intensivstation, kann sie immerhin wieder alleine atmen. Sie kommt in die Neurologische Frührehabilitation.

 

„Von da an war die Schonzeit für mich vorbei“, sagt Mareile Hankeln. Und wenn jemand die lange Zeit auf der Intensivstation mit einer Schonzeit vergleicht, dann bekommt man eine ungefähre eine Vorstellung davon, wie herausfordernd die nächsten Wochen in der Frühreha für sie werden sollen. Ein Team aus Ärzten, Pflegefachkräften, Ergotherapeuten, Logopäden und Neuropsychologen kümmert sich intensiv um Mareile Hankeln. Nach und nach soll sie alles, was zuletzt Maschinen, Sonden, Kanülen und Katheter für sie übernommen haben, wieder selbst lernen. Natürlich hilft das Klinik-Team ihr so gut es geht, die Schmerzen zu unterdrücken. Doch bei jeder Übung „hätte ich trotzdem schreien können. Aber mit einer Trachealkanüle ohne Sprechaufsatz geht das ja nicht“, sagt sie. Besonders zu Beginn fühlt sie sich wie ein „wackeliges Etwas“. Jegliche Spannung im Körper ist dahin, Muskeln sind verkümmert, Sehnen verkürzt.

 

Aber das Frühreha-Team lässt nicht locker, fördert und fordert sie, so gut es geht. Die Nerven müssen weiter gekitzelt werden. „Unsere Erfahrung zeigt: Das muss sein. So bekommt man den besten Erfolg“ sagt man ihr immer wieder. Ihr Mann Willi, ihre Eltern, ihre Familie und ihr Freundeskreis unterstützen sie in dieser Zeit, wo es nur geht. Und ihr kleiner Sohn ist für sie die größte Motivation, wieder auf die Beine zu kommen, ihn nicht um sich haben zu können, ihr größter Schmerz. Während ihr mittlerweile einjähriger Sohn daheim das Laufen lernt, muss auch Mareile Hankeln selbst wieder ihre ersten Schritte machen. Vor allem viele Zwischenschritte: Auf der Seite liegen. Im Rollstuhl sitzen. Dazu Übungen auf dem Stehbrett. „Ich musste mich zwingen. Denn ich hatte wegen der Schmerzen jedes Mal wahnsinnige Angst davor“, sagt sie. Als die kleinen Dinge wieder funktionieren, ist das eine Art Schlüsselmoment für sie. Ein Brot schmieren, die Fernbedienung selber bedienen. „Winzig kleine Dinge wurden auf einmal ganz groß.“

 

Und dann kommt der Februar. Wochen zuvor hatte es kaum jemand für möglich gehalten, dass Mareile Hankeln die Klinik noch vor Ostern verlassen könnte. Doch am 16. Februar 2017 hat die Entwicklung so sehr an Fahrt aufgenommen, dass sie bereits in die Anschluss-Reha ins Neurologische Rehazentrum Friedehorst darf. Und vier Wochen später darf sie tatsächlich wieder nach Hause, auch wenn noch ein sehr langer Genesungsweg vor ihr liegt. Vieles ist für Mareile Hankeln heute wieder wie früher, aber längst noch nicht alles. „Meine Füße sind noch nicht wieder aufgewacht. Das ist wie ein Dauerkrampf“, beschreibt sie. Und wenn sie ihrem Sohn durch das Haar streicht, dann weiß sie zwar, wie sich das anfühlen müsste. „Doch das echte Gefühl fehlt noch“. Die Ärzte sind zuversichtlich, dass sich ihr Zustand weiter verbessern wird. Millimeterweise müssen sich die Nervenzellen Tag für Tag wieder einander annähern. Und mit jedem Millimeter bekommt Mareile Hankeln mehr von ihrem alten Leben zurück.

 

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Die Neurologische Frührehabilitation am Klinikum Bremen-Ost ist in den vergangenen Monaten ausgebaut worden. Statt wie bisher 24 Betten bietet die Spezialabteilung der Klinik für Neurologie ab sofort 36 monitorüberwachte Betten. Am 1. März um 14 Uhr gibt es dazu eine Feierstunde im Klinikum Bremen-Ost im Beisein der Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz, Prof. Dr. Eva Quante-Brandt. Auch Medienvertreter bekommen dabei die Gelegenheit, einen Blick in die neuen Räumlichkeiten zu werfen.

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„Niemand konnte mir bis dahin erklären, was eigentlich mit meinem Körper los ist“, erinnert sich Mareile Hankeln. Doch die Ärzte im Krankenhaus brauchen nicht lange für einen ersten Verdacht, der sich schnell bestätigen soll. Mareile Hankeln leidet unter dem Guillain-Barré-Syndrom, kurz: GBS. Eine schwere Nervenerkrankung. Im Klinikum Bremen-Ost wird sie nun mehr vier Monate ihres Lebens verbringen. Sie wird erfahren, wie es ist, sich nicht mehr rühren und auch nicht mehr selbst atmen zu können. Sie wird höllische Schmerzen aushalten müssen. Und sie wird wieder Zuversicht tanken. In der Neurologischen Frührehabilitation, einer in Bremen einzigartigen Spezialabteilung für Neurologie-Patienten, wird sie das Atmen, Bewegen, Essen und Sprechen erst wieder mühsam lernen müssen.

 

Beim Guillain-Barré-Syndrom handelt es sich um eine Entzündung des Nervensystems. „Besonders die Nervenwurzeln im Bereich des Rückenmarks sind davon betroffen. Binnen Tagen, Wochen und Monaten kann es zu starken Lähmungen kommen“, erklärt Prof. Dr. Andreas Kastrup, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Bremen-Ost. Statistisch erkranke nur einer von 100.000 Menschen an diesem Syndrom, das alles andere als spurlos an den Betroffenen vorübergehe und auch tödlich enden könne. Bei Mareile Hankeln entwickelt sich die Krankheit besonders schnell und heftig. Erst die Schmerzen, dann das fehlende Gefühl in den Händen. Als nächstes spürt sie ihre Beine nicht mehr. Dann wird auch der Rest des Körpers taub. Mareile Hankeln muss intubiert werden – also künstlich beatmet –weil nun auch die Atemmuskulatur von der Lähmung betroffen ist.

 

„Das Schlimme dabei ist: Man verliert sämtliche körperliche Fähigkeiten. Doch der Verstand ist halt trotzdem noch da“, sagt sie. Es gibt keine Garantie, dass sie wieder vollständig gesundwird. Im Klinikum Bremen-Ost ist sie in den besten Händen. Die Klinik für Neurologie ist spezialisiert auf die Diagnostik, Therapie und auf die frühestmögliche Rehabilitation schwerster neurologischer Erkrankungen. Doch an eine Reha-Zeit ist im Fall von Mareile Hankeln noch lange nicht zu denken. Nach acht Wochen auf der Intensivstation, kann sie immerhin wieder alleine atmen. Sie kommt in die Neurologische Frührehabilitation.

 

„Von da an war die Schonzeit für mich vorbei“, sagt Mareile Hankeln. Und wenn jemand die lange Zeit auf der Intensivstation mit einer Schonzeit vergleicht, dann bekommt man eine ungefähre eine Vorstellung davon, wie herausfordernd die nächsten Wochen in der Frühreha für sie werden sollen. Ein Team aus Ärzten, Pflegefachkräften, Ergotherapeuten, Logopäden und Neuropsychologen kümmert sich intensiv um Mareile Hankeln. Nach und nach soll sie alles, was zuletzt Maschinen, Sonden, Kanülen und Katheter für sie übernommen haben, wieder selbst lernen. Natürlich hilft das Klinik-Team ihr so gut es geht, die Schmerzen zu unterdrücken. Doch bei jeder Übung „hätte ich trotzdem schreien können. Aber mit einer Trachealkanüle ohne Sprechaufsatz geht das ja nicht“, sagt sie. Besonders zu Beginn fühlt sie sich wie ein „wackeliges Etwas“. Jegliche Spannung im Körper ist dahin, Muskeln sind verkümmert, Sehnen verkürzt.

 

Aber das Frühreha-Team lässt nicht locker, fördert und fordert sie, so gut es geht. Die Nerven müssen weiter gekitzelt werden. „Unsere Erfahrung zeigt: Das muss sein. So bekommt man den besten Erfolg“ sagt man ihr immer wieder. Ihr Mann Willi, ihre Eltern, ihre Familie und ihr Freundeskreis unterstützen sie in dieser Zeit, wo es nur geht. Und ihr kleiner Sohn ist für sie die größte Motivation, wieder auf die Beine zu kommen, ihn nicht um sich haben zu können, ihr größter Schmerz. Während ihr mittlerweile einjähriger Sohn daheim das Laufen lernt, muss auch Mareile Hankeln selbst wieder ihre ersten Schritte machen. Vor allem viele Zwischenschritte: Auf der Seite liegen. Im Rollstuhl sitzen. Dazu Übungen auf dem Stehbrett. „Ich musste mich zwingen. Denn ich hatte wegen der Schmerzen jedes Mal wahnsinnige Angst davor“, sagt sie. Als die kleinen Dinge wieder funktionieren, ist das eine Art Schlüsselmoment für sie. Ein Brot schmieren, die Fernbedienung selber bedienen. „Winzig kleine Dinge wurden auf einmal ganz groß.“

 

Und dann kommt der Februar. Wochen zuvor hatte es kaum jemand für möglich gehalten, dass Mareile Hankeln die Klinik noch vor Ostern verlassen könnte. Doch am 16. Februar 2017 hat die Entwicklung so sehr an Fahrt aufgenommen, dass sie bereits in die Anschluss-Reha ins Neurologische Rehazentrum Friedehorst darf. Und vier Wochen später darf sie tatsächlich wieder nach Hause, auch wenn noch ein sehr langer Genesungsweg vor ihr liegt. Vieles ist für Mareile Hankeln heute wieder wie früher, aber längst noch nicht alles. „Meine Füße sind noch nicht wieder aufgewacht. Das ist wie ein Dauerkrampf“, beschreibt sie. Und wenn sie ihrem Sohn durch das Haar streicht, dann weiß sie zwar, wie sich das anfühlen müsste. „Doch das echte Gefühl fehlt noch“. Die Ärzte sind zuversichtlich, dass sich ihr Zustand weiter verbessern wird. Millimeterweise müssen sich die Nervenzellen Tag für Tag wieder einander annähern. Und mit jedem Millimeter bekommt Mareile Hankeln mehr von ihrem alten Leben zurück.

 

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