Gesundheit Nord Klinikverbund Bremen

Abgehorcht (8): Im Schwitzkasten

Abgehorcht

Regelmäßige Saunagänge sollen das Immunsystem stärken. Da muss man es nur noch irgendwie schaffen, ein Aufguss-Ritual zu ertragen. Wenn das so einfach wäre.

Ich habe mir etwas vorgenommen: Nämlich ohne Schnupfen durch den Winter zu kommen. Ich weiß, das ist
ambitioniert. Aber ich gebe dieses Mal alles dafür. Ich war letztens sogar in der Sauna, um mein Immunsystem richtig auf Vordermann zu bringen. Zwar neige ich in solchen Wellness-Tempeln eher dazu, lieber eingemummelt in Decke und Bademantel in einem der Liegestühle zu versinken. Aber ich fürchte, das hilft in Sachen Virenabwehr dieses Mal nur bedingt weiter. Ohne Aufguss geht es nicht. Als jemand, der Hitze in etwa so gut ertragen kann wie ein Hummer im Kochtopf, ist das allerdings immer so eine Sache.

Die Probleme fangen im Grunde schon damit an, sich den perfekten Zeitpunkt zu überlegen, wann man die wohltemperierte 90-Grad-Höhle betreten soll. Eine Viertelstunde vor dem Aufguss, damit man rechtzeitig einen Sitzplatz bekommt, dann aber bereits völlig dehydriert aufgeben muss, wenn das Aufgussritual erst beginnt? Oder erst kurz vorher, um das Leid nicht unnötig in die Länge zu ziehen, dann aber Gefahr zu laufen, sich in dem vollbesetzten Schwitzkasten zwischen glitschigen Körpern auf den letzten halben freien Platz bis in den Oberrang zu drängeln?

Es gibt auch die Touristen-Variante, bei der man sich besonders viele Freunde macht: Sich den Lieblingsplatz einfach schon eine halbe Stunde vorher per Handtuch reservieren und die Zeit bis zum Aufguss gemütlich an der Sauna-Bar überbrücken.

Bei dem vielen Abwägen bin ich natürlich prompt zwei Minuten zu spät gekommen, da war die Zeremonie
schon in vollem Gange. Glaubt man den Blicken der Mitschwitzenden, war das eindeutig die viertbeste Variante – inklusive Strafplatz direkt vor dem Ofen. Womit man bei Problem Nummer zwei angekommen wäre: Wie halte ich den Aufguss durch? Wer zu spät kommt, kann schließlich nicht auch noch früher gehen. Jedenfalls nicht, wenn man dem Risiko entgehen will, von den anderen bei der nächsten Gelegenheit aus Versehen ins Eiswasserbecken geschubst zu werden. Also nickt man artig, wenn der Aufgießer auch die zehnte Kelle Wasser über die glühenden Steine gießt und grinsend nach dem Wohlbefinden fragt.

Alle Fluchtversuche sind ohnehin zum Scheitern verdammt, wenn der Herr Zeremonienmeister nasse
Birkenzweige durch die höllenheiße Luft schleudert. Sie machen den Weg nach draußen nur unter Peitschenhieben möglich. Besonders schön ist es, wenn einem bei diesem sogenannten Banja-Ritual dann die Blätter im Gesicht hängen bleiben, andere das aber als ganz wunderbare Naturerfahrung preisen, was sie ausdrucksstark durch Ahhs und Hmms verdeutlichen. Ich habe mich dieser Primärreaktionen erst bedient, als die viertelstündige Garzeit endlich vorüber und ich wieder zu meiner geliebten Liege gelangt war. Die roten Flecken auf meiner Haut – Ausdruck einer Birkenallergie? – haben mich dann auch nicht mehr gestört. Vielleicht schrecken die roten Pusteln die Viren ja so sehr ab, dass sie sich gar nicht erst an mich herantrauen.

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