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Neue Hoffnung für Alzheimerpatienten

Gesundheit

Im Januar 2025 wird es auch in Europa ein Medikament gegen die Alzheimer-Erkrankung geben, das nicht nur Symptome bekämpft, sondern auch die Erkrankung selbst. In vielen Ländern der Welt ist der Antikörperwirkstoff Lecanemab bereits im Einsatz, jetzt hat ihn auch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) positiv bewertet. Das Medikament sei ein „echter Game-Changer“, sagt Prof. Thomas Duning, Chefarzt der Neurologie am Klinikum Bremen-Ost. Wir haben ihn zu Hoffnungen, Risiken und Nebenwirkungen befragt.

Herr Prof. Duning, mit Lecanemab sind viele Hoffnungen verbunden. Teilen Sie den Optimismus?
Prof. Thomas Duning:
Unbedingt! Der Antikörper-Wirkstoff Lecanemab hat in medizinischen Studien gute Ergebnisse erzielt und wird in vielen Ländern der Welt bereits erfolgreich eingesetzt. Das Medikament ist ein echter Game-Changer und eine ganz neue Therapieoption. Bisher konnten wir Betroffenen ausschließlich Medikamente anbieten, die Symptome der Erkrankung für eine gewisse Zeit in Schach halten, aber die degenerativen Prozesse nicht behandeln. Jetzt können wir die Erkrankungsursache im Hirn direkt bekämpfen.

Wie genau wirkt Lecanemab?
Die Antikörper-Wirkstoffe richten sich gegen eine der möglichen Ursachen der Alzheimer-Krankheit: gegen die Ablagerungen des Proteins Amyloid-beta im Gehirn, das Nervenzellen zerstört. Die hatte Alois Alzheimer schon entdeckt und „senile Plaques“ genannt. Die Antikörper binden an die schädlichen Amyloid-beta-Proteine und markieren diese, damit das körpereigene Immunsystem diese dann beseitigt. Das klappt recht gut. Ziel ist es, den durch die Amyloid-Beta-Ablagerungen verursachten Abbau intakter Gehirnzellen deutlich zu verlangsamen oder sogar zu stoppen.

Das Medikament wird nur für eine bestimmte Gruppe von Betroffenen zugelassen. Welche Voraussetzungen gibt es für die Anwendung?
Der Wirkstoff ist für Menschen geeignet, bei denen die Alzheimer-Erkrankung mittels Biomarkern zweifelsfrei nachgewiesen wurde und die noch ganz am Anfang der Erkrankung stehen, also sehr wenig Symptome haben. Außerdem dürfen sie nicht auf bestimmte blutverdünnende Medikamente angewiesen sein. Die Zulassungskriterien werden in Europa sehr streng sein. So kommt der Wirkstoff nur für eine überschaubare Gruppe von Alzheimerpatienten in Frage. Wir untersuchen hier in der Klinik, ob die Betroffenen geeignet sind. Zur notwendigen Diagnostik gehören Kopf-MRT, Nervenwasser-Untersuchung und standardisierte Testung der Kognition sowie spezielle genetische Tests.

Wie wird Lecanemab verabreicht? 
Das Medikament wird dann alle 14 Tage als Infusion verabreicht – wahrscheinlich lebenslang. Dazu kommen Verlaufskontrollen und Kopf-MRT alle 6 Monate, um Nebenwirkungen frühzeitig erkennen zu können und, wenn nötig, gegenzusteuern.

Nebenwirkungen sind ein gutes Stichwort. Es gibt viele Skeptiker, die vor allem auf die Risiken des Medikaments hinweisen. Was sagen Sie dazu?
Ich verstehe die Bedenken. Man muss, wie bei jedem wirksamen Medikament, genau abwägen. Es gibt kein Medikament ohne Nebenwirkungen. Die müssen wir im Auge behalten. Es kann sein, dass die gewollte Entzündungsreaktion der Immunabwehr aus dem Ruder läuft, Gehirnschwellungen- und Blutungen auftreten. Aus diesem Grund müssen die Patienten unter der Therapie nach einem vorgeschriebenen Standard kontrolliert werden. Die Studien zeigten aber einen klinischen Nutzen bei den Betroffenen. Nach drei bis fünf Infusionen sind oft überhaupt keine Ablagerungen mehr erkennbar und das Fortschreiten der Symptome bei den leicht betroffenen Patienten wird deutlich abgebremst. Wir sehen hier tagtäglich das Leid der Betroffenen und der Angehörigen, ohne gegen die Erkrankung wirkende Medikamente anbieten zu können. Wenn wir zumindest für eine kleine Gruppe eine wirkliche Hilfe anbieten können, dann müssen wir das tun, finde ich. Dieses Medikament könnte dafür geeignet sein. Es wird in den kommenden Jahren weitere Wirkstoffe dieser Art geben, die eventuell noch effektiver und bequemer einsetzbar sein werden. Ich bin da sehr optimistisch.

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