Was verstehen Sie genau unter einer gesunden Ernährung?
Die Ausgewogenheit muss stimmen. Das bedeutet, dass alle Nährstoffe, die mein Körper nicht selbst bilden kann, in der richtigen Menge über die Nahrung kommen sollten. Als Faustregel gilt, dass 50 Prozent Kalorien, die man zu sich nimmt, aus Kohlendhydraten, 30 Prozent aus Fetten und 20 Prozent aus Eiweißen bestehen sollte. Nehme ich von einzelnen Komponenten dauerhaft zu viel oder lasse ich was weg, ist das nicht mehr gesund. Dann bin ich fehlernährt. Die Menge macht das Gift.
Wie sinnvoll sind dann aus Ihrer Sicht die vielen Diäten, bei denen es ja gerade um das Weglassen geht?
Es ist erst einmal gut, wenn sich Menschen mit ihrer Ernährungsweise auseinandersetzen. Die Frage ist dann, ob das auch in die richtige Richtung geht. Verzichte ich etwa über lange Zeit auf gewisse Komponenten wie Obst und Gemüse, können Herz-Kreislauf-Erkrankungen leichter entstehen. Fehlt mir tierisches Eiweiß, kann das auch das Krebsrisiko erhöhen. Hinter jeder Diät steckt die Gefahr einer Fehlernährung.
Wie gesund können dann Vegetarier leben?
Kein Fleisch zu essen, ist ja auch eine Diätform. Gerade das tierische Eiweiß zu ersetzen, ist da eine echte Herausforderung, kann aber etwa durch Milchprodukte gelingen. Komplizierter wird es bei Veganern. Da muss man zum Beispiel schon ganz schön viele Kichererbsen essen, um fehlende Proteine zu kompensieren. Menschen brauchen die Vielfalt. Sie sollte der Kern unserer Ernährung sein. Ansonsten stelle ich meinen Körper irgendwann vor Probleme. Mangelernährung und Adipositas können vor allem die Folge sein.
„Hinter jeder Diät steckt die Gefahr einer Fehlernährung.“
Welche Rolle kann die Ernährung darüber hinaus bei schwer erkrankten Menschen im Krankenhaus spielen?
Die Ernährungsmedizin ist ein Querschnittsfach und bietet ein großes Potenzial, besonders im onkologischen, geriatrischen, gastroenterologischen und viszeralen Bereich. Mit Ernährung können wir natürlich keinen Krebs oder Herzkrankheiten heilen. Aber wir können den Krankheitsverlauf mit einer passenden Ernährung positiv beeinflussen. Mit einer guten Eiweiß- und Kalorienzufuhr kommen Patienten besser wieder auf die Beine. Der beste Effekt wird übrigens mit zusätzlicher, angemessener Bewegung erreicht.
Wie kann die Klinik da unterstützen?
Unsere Aufgabe ist es auch, für Patienten ein geeignetes, individuelles Ernährungskonzept zu finden. Eines, das auf den jeweiligen Gesundheitszustand ausgerichtet ist. Wir verfügen da über ein ganzes Team an Ernährungsberatern und -medizinern an den einzelnen Standorten. Diese sind zudem über einen standortübergreifenden Ernährungskreis im Klinikverbund gut miteinander vernetzt. Am Klinikum Mitte haben wir zudem ein Pilotprojekt eingeführt. Ein Screening, über das Patienten zu Beginn zu ihrer Ernährung und ihrem Risiko für eine Mangelernährung befragt werden und dadurch Ist-Situation und notwendiger Interventionsbedarf von uns besser eingeschätzt werden können.