Gesundheit Nord Klinikverbund Bremen

Aus Manila nach Bremen-Nord

Schichtwechsel

Gracie May Pagayon kam vor drei Jahren von den Philippinen zur Gesundheit Nord und ist längst fester Teil im Pflegeteam des OP-Zentrums im Klinikum Bremen-Nord

 

Den Tag des Abschieds hat Gracie May Pagayon noch gut in Erinnerung. Es war ein Tag, auf den sie in den Monaten zuvor mit so viel Einsatz hingearbeitet hatte, vor dem sie sich aber gleichzeitig auch ein wenig gefürchtet hatte. Denn einerseits bedeutete der Tag des Abflugs von Manila in Richtung Bremen für Gracie May Pagayon den Aufbruch in ein neues Leben, eine hoffentlich bessere berufliche Perspektive. Andererseits wusste die Pflegefachkraft aber auch, dass sie dafür ihre Liebsten eine ganze Weile nicht mehr um sich haben würde. Dass eigentlich nichts mehr so sein würde wie vorher. Eine halbe Erdumrundung würden von nun an zwischen ihr und ihrem Mann und den damals 9- und 11-jährigen Kindern liegen.

„Das war wirklich nicht leicht“, sagt Gracie May Pagayon. „Aber wir hatten uns bewusst als Familie für diesen Weg entschieden, dass wir ein neues Leben anfangen.“ Der Abschied nun mehr als drei Jahre zurück. Drei Jahre, die emotional waren. Sehnsucht. Aufregung. Unsicherheit. Hoffnung. Viele Gefühle spielten in der Zeit eine Rolle. Doch heute kann die 40-Jährige sagen, „dass dieser Schritt von den Philippinen nach Deutschland absolut der richtige war“.

Gracie May Pagayon ist eine von insgesamt 55 internationalen Pflegekräften in der Gesundheit Nord, die im Klinikverbund nicht nur ihre neue berufliche Heimat gefunden haben, sondern ihr Heimatland komplett hinter sich gelassen haben, um sich hier in Bremen ein neues Leben aufzubauen. Mittlerweile ist Gracie May Pagayon fester Teil im OP-Zentrum des Klinikums Bremen-Nord und fühlt sich dort längst zuhause. „Ich wurde hier sehr lieb aufgenommen und eingearbeitet. Das gesamte Team hat mir den Start wirklich vereinfacht“, sagt Gracie May Pagayon. Hinzu kam, dass es in dem Krankenhaus bereits den einen oder anderen philippinischen Kollegen gab, der vor ihr hier sein berufliches Zuhause gefunden hat. „Das hat auch sehr beim Eingewöhnen geholfen.“

Die Idee, überhaupt nach Deutschland zu gehen, hatte sie damals von einer guten Freundin bekommen, die den Schritt von den Philippinen nach Europa ebenfalls schon gegangen war und heute als Pflegefachkraft in Hamburg arbeitet. Dass auch sie selbst das Land wechseln wollte, war zu dem Zeitpunkt für sie bereits klar. Denn als Pflegefachkraft habe sie nach ihren Worten in ihrer Heimat nicht die Aussicht gehabt, einen guten Lebensunterhalt für sich und ihre Familie verdienen zu können. Doch genau das war ihr Anspruch. „Auf den Philippinen gibt es für Pflegfachkräfte nur wenige Hundert Euro Gehalt, wenn sie denn überhaupt gezahlt wurden“, erzählt Gracie May Pagayon. Viele ihrer Landsleute verließen deshalb ihre Heimat, und arbeiteten lieber fernab der Heimat. „Viele zieht es nach Neuseeland. Das war auch meine erste Idee“, sagt sie. Doch ihre Freundin überzeugte sie mit ihrer Vorerfahrung, die sie gemacht hatte, von Europa.

Also nahm Gracie May Pagayon Kontakt mit einer Agentur auf, die Pflegefachkräfte ins Ausland vermittelt. Und sie begann Deutsch zu lernen – parallel zu ihrer Arbeit als Pflegekraft im Krankenhaus. Daraus wurden dann oft sehr lange Tage mit 12, 13 Stunden, ehe sie nach Hause kam und noch vielleicht noch kurz die Kinder sah. Irgendwann wurde die Idee vom Ausland konkret. Neben Englisch als zweiter Muttersprache war sie nun auch in Deutsch auf dem geforderten B2-Niveau. Dann der erste Video Call nach Deutschland. Die Aussicht, dass Bremen die neue Heimat werden könnte. Und dann tatsächlich der Abflug.

„Es war hier natürlich alles neu für mich. Eine neue Umgebung, eine neue Kultur. Aber ich wollte alles kennenlernen, wollte offen sein“, sagt Gracy May Pagayon. Da waren die großen Unterschiede im Alltag, beim Essen, in der Lebensweise, im Gesundheitswesen. Und da waren auch vielen Kleinigkeiten, die ihr auffielen - zum Beispiel dass alles etwas direkter zugeht: „Ich weiß noch wie ich mich erschrocken habe, als mich jemand an einem meiner ersten Tage hier draußen aus dem Weg geklingelt hat: ‚Ey, weg da, das ist ein Fahrradweg.‘, erzählt sie und fügt schmunzelnd hinzu: „Heute rufe ich den Leute manchmal selbst schon: Ey, aus dem Weg, das ist ein Fahrradweg.“ 


Die kleine Anekdote soll ein amüsanter Beleg dafür sein, dass sie längst angekommen ist. Vor allem ist sie das aber deshalb, weil sie viele liebenswürdigere Momente erlebt hat als die Sache mit dem Fahrradweg. Viel Herzlichkeit sei ihr entgegen gebracht worden. Ihre Kolleginnen und Kollegen hätten eigentlich immer ein offenes Ohr für sie. Manchmal gebe es gemeinsame Unternehmungen. Und sie habe es dadurch auch geschafft, schnell neue Leute kennenzulernen. Und das Standing der Pflege sei in Deutschland nicht vergleichbar mit dem in ihrer Heimat. 


Ihre guten Erfahrungen teilt sie auch mit vielen Landsleuten, die ebenfalls in Deutschland gelandet sind. „Es gibt hier eine relativ große philippinische Community in Norddeutschland“, erzählt sie. „Und da spricht sich schnell rum, wo es gut läuft und wo es weniger gut läuft.“ Mittlerweile arbeiteten im OP in Bremen-Nord bereits drei weitere philippinische Kolleginnen und Kollegen. Einigen ihrer Freundinnen und Freunde habe sie zudem bereits das Klinikum Bremen-Nord und die Gesundheit Nord als gute Adresse für neueingewanderter Pflegefachkräfte empfohlen. Gut möglich also, dass bald noch mehr Verstärkung für das Pflegeteams dazukommt. 


Die persönliche Verstärkung hat Gracy May Pagayon bereits. Ihre Familie ist nun wieder bei ihr. In der ersten Zeit hatten sie sich nur per Video Call über das Smartphone oder das Laptop gesehen. Nach einem Jahr folgte ein kurzer Heimatbesuch. Und seit Februar 2024 sind sie nun wieder ganz vereint in Bremen. Gemeinsam mit ihrem Mann und ihren beiden Kinder – mittlerweile 12 und 14 – lebt sie nun unweit des Klinikums Bremen-Nord in einer Wohnung. Ihr Mann arbeitet aktuell in einer Sushi-Bar und hält als IT-Spezialist parallel Ausschau nach einer Arbeit, die zu seinen Qualifikationen passt. Ihre Kinder haben auch schon Anschluss gefunden, spielen Basketball und machen Kick-Boxing im Verein. Sie haben sich ein neues Leben aufgebaut – ungefähr so oder vielleicht sogar noch ein Stückchen besser, wie sie sich das vor einigen Jahren vorgestellt hatten. 

Pflegekräfte sind auf dem deutschen Arbeitsmarkt oft nur noch schwer zu finden. Deshalb hat die Gesundheit Nord 2020 damit begonnen, auch Pflegefachkräfte aus dem Ausland anzuwerben. In den vergangenen vier Jahren hat sich das Projekt kräftig weiterentwickelt. 55 Internationals – so werden die aus dem Ausland angeworbenen Pflegefachkräfte im Klinikverbund genannt – sind mittlerweile in den Krankenhäusern der Gesundheit Nord beschäftigt. Mindestens genauso viele sollen allein im 2025 neu dazu kommen. In unserer Serie "Gekommen um zu pflegen" beleuchten wir diesen Bereich genauer. Wir stellen einige Internationals genauer vor, erzählen ihre Geschichten und zeigen die Arbeit, die drumherum passiert – von der Organisation bis zur Integration.

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