Wiebke Preuß braucht in ihrem Leben ein gewisses Maß an Action. Das sei schon immer so gewesen, sagt sie. Die 43-Jährige arbeitet seit Mai – berufsbegleitend zu ihrem Studium – als Physician Assistant in der Notaufnahme am Klinikum Bremen-Mitte. Und dort ist viel Action. Genau ihr Ding also. Aber „Physician Assistant“? Studium? Wiebke Preuß lächelt. Sie ist es gewohnt, erklären zu müssen, was sie tut, seit sie nicht mehr Notfallsanitäterin ist. „Ich bin hier das Pilot-Projekt“, sagt sie erstmal. Dann folgt die Erklärung: Als Physician Assistant arbeitet Wiebke Preuß im ärztlichen Team der Notaufnahme auf Weisung der Ärzte. Sie diagnostiziert, bespricht Diagnosen mit den diensthabenden Ärztinnen und Ärzten und behandelt dann weiter. Dabei hat sie weit mehr Befugnisse als die Pflegenden. Aber sie sieht sich auch als Mittlerin zwischen den Berufsgruppen.
Physician Assistants sind in Deutschland noch nicht so bekannt wie in anderen Ländern. Ursprünglich kommt der Bachelor-Studiengang, in dem auch eine Erweiterung zum Master möglich ist, aus Amerika. 2005 wurde er in Deutschland eingeführt. Inzwischen gibt es auch in Bremerhaven die Möglichkeit, sich zum Physician Assistant ausbilden zu lassen. Wiebke Preuß studiert an der Hochschule Anhalt in Köthen – 500 Kilometer von Bremen entfernt. Meist zum Glück von zuhause aus.
Glück auch, weil Wiebke Preuß so Vollzeit an ihrem Traumarbeitsplatz arbeiten und ihr Studium finanzieren kann. Ein Studium, das sich logisch an ihre bisherige berufliche Laufbahn anknüpft. Seit 23 Jahren ist sie in der Notfall- und Akutmedizin zuhause. Als junge Rettungsassistentin hat die Bremerin schon vor vielen Jahren Verunfallte und Schwerkranke ins Klinikum Bremen-Mitte gebracht – und immer schon gedacht, dass das auch ein guter Arbeitsort für sie sein könnte. Aber erstmal zog es sie weg aus Bremen und in die Hauptstadt. In Berlin machte sie ihre Ausbildung zur Notfallsanitäterin – und dann kam der Einsatz mitten im Brennpunkt: Fünf Jahre war sie in der Feuerwache Neukölln und in der Notaufnahme des Vivantes-Klinikums Neukölln im Einsatz. Die Feuerwache gehört zu denen mit der höchsten Einsatz-Frequenz in ganz Europa. „Da habe ich sehr viel gelernt und sehr viel gesehen“, sagt Wiebke Preuß. Zu viel sei es ihr nie geworden. Aber ihr Beruf sei eben auch ihre Leidenschaft. Nun ist sie zurück in Bremen. Ihrer Eltern wegen. Und auch das fühle sich für sie richtig an. Klar war aber – es kam als Arbeitsort nur die große Notaufnahme am Klinikum Bremen-Mitte in Frage. Sie hat sich beworben, einfach so, ohne Stellenausschreibung. Und sie ist genommen worden.
„Physician Assitants sind unsere Zukunft und dass Wiebke Preuß bei uns ist, ist einfach für alle großartig“, sagt Dr. Judith Gal, Chefärztin der Notaufnahme. Sie hofft inständig, dass sie Wiebke Preuß nach Beendigung ihres Studiums weiterbeschäftigen kann. Physician Assistansts seien eine hervorragende Nahtstelle zwischen ärztlichem Team und Pflege und für die Patientenversorgung ein riesiger Gewinn.
Das Studium hat Wiebke Preuß nach sechs Semestern inzwischen fast beendet. Aber sie denkt schon weiter: „Ein Masterstudium mit dem Schwerpunkt Notfall- und Akutmedizin – das wäre noch etwas für mich“, sagt sie.
Neben Arbeit und Studium ist Wiebke Preuß außerdem noch als Dozentin und Prüferin für die Sanitäter-Azubis vom ASB Bremen tätig. Bleibt da überhaupt noch Zeit für etwas Privatleben? „Ach, natürlich“, sagt sie. Wenn Wiebke Preuß nicht arbeitet, betreibt sie Kampfsport. Da kann sie den ganzen Stress gut abbauen. Aber fast genauso gut klappe das bei langen Spaziergängen mit ihrer Hündin Miss Marple.
