Ousman Drammehs Weg vom minderjährigen Flüchtling zum angehenden Ergotherapeuten
Bei seiner Flucht aus Afrika kam er beinahe im Mittelmeer ums Leben. Doch Ousman Drammeh schaffte es nach Europa. In Bremen hat sich der heute 22-Jährige ein neues Leben aufgebaut - und schließt bald seine Ausbildung zum Ergotherapeuten ab.
Jemand, der immer fragt, wird nie seinen Weg verlieren. So lautet ein afrikanisches Sprichwort – und dieser Satz ist auch das Lebensmotto von Ousman Drammeh. Der 22-Jährige lebt in Bremen und macht eine Ausbildung zum Ergotherapeuten in der Bildungsakademie der Gesundheit Nord. So weit, so normal – aber bis er seinen Ausbildungsplatz gefunden hatte, musste Ousman Drammeh einen langen und zum Teil gefährlichen Weg hinter sich bringen.
Ousman Drammeh ist in Gambia geboren und im Senegal mit drei Geschwistern aufgewachsen. Er leidet an einer chronischen Krankheit, die phasenweise starke Schmerzen verursacht und in seiner Heimat nicht behandelt werden konnte. Die Hoffnung, in Europa eine bessere medizinische Ver-sorgung zu bekommen, bringt ihn schließlich dazu, sein Heimatland zu verlassen. Mit 16 bricht er auf in Richtung Europa – fast ohne Gepäck und ohne seine Familie einzuweihen. „Die hätten niemals zugestimmt.“
Mali, Burkina Faso, Nigeria, Libyen, Italien, Bremen
Sein Weg führt ihn über Mali, Burkina, Nigeria, durch die Wüste nach Libyen und von dort über die Mittelmeerroute in Richtung Italien. Eine Etappe, die er fast nicht überlebt hätte, hätte nicht eine Hilfsorganisation die Flüchtlinge aus dem Meer gerettet. In Italien ist er so geschwächt, dass er zunächst für einige Zeit im Krankenhaus versorgt werden muss. Dort aber will er nicht bleiben. Sein Ziel: Bremen. Von anderen hat er gehört, dass Bremen weltoffen und freundlich sei. „Ich hatte eigentlich mehr über Bayern München gehört“, sagt er und lacht. Aber er vertraut den Empfehlungen, reist mit Hilfe seiner letzten Ersparnisse weiter in die Schweiz und von dort schließlich nach Bremen.
Hier angekommen – fünf Monate nach seinem Aufbruch – ist er erneut so geschwächt, dass er ins Krankenhaus muss. Aber Ousman Drammeh verliert zu keiner Zeit den Mut. Auch jetzt nicht. „Meine positive Lebenseinstellung hat mir immer geholfen“, sagt er. Er erholt sich, zieht in eine Jugendhilfeeinrichtung und beginnt intensiv damit, Deutsch zu lernen. Schon ein Jahr später macht er seinen Hauptschulabschluss, Fachrichtung Gesundheit und Soziales. Während eines Schulausflug zu einer Berufsmesse fasziniert ihn besonders der Infostand der Ergotherapeuten, wo er einige Übungen ausprobiert. Wie es der Zufall will, berichtet die lokale Presse über die Messe und zeigt ein Bild von ihm – unter der Überschrift „Flüchtlinge gehen in Gesundheitsberufe“. Okay, denkt er sich, wenn das so ist, dann mache ich das mal. Einzige Hürde: Er braucht für die Ausbildung einen mittleren Schulabschluss. Den holt er nach und bewirbt sich im Oktober 2019 als Ergotherapeut. Mit Erfolg: Er bekommt einen Ausbildungsplatz in der Ergotherapieschule, die zur Bildungsakademie der Gesundheit Nord gehört. Im selben Jahr wird das Schulgeld für die Ausbildung abgeschafft, stattdessen wird nun eine Vergütung gezahlt. „Das war ein riesiges Glück. Sonst hätte ich mir die Ausbildung nicht leisten können.“
Traum von "Ärzte ohne Grenzen"
Den größten Teil seiner Ausbildung erlebt Ousman Drammeh in Pandemiezeiten. Dennoch ist er dankbar: „Schule und Lehrer haben mit einer guten Organisation immer dafür gesorgt, dass wir Auszubildenden in praktische Einsätze kommen. Ein großer Teil des Unterrichts fand digital statt. Die Schule hat viel für uns getan.“ Im September 2022 wird er seine Prüfung machen. Der Gedanke, dass die Ausbildung dann vorbei ist, macht ihn fast ein bisschen traurig. „Ich fange jetzt schon an, alle zu vermissen.“ Inzwischen wohnt der angehende Ergotherapeut in einer eigenen Wohnung. „In Afrika wäre ich wahrscheinlich schon ein verheirateter Mann“, sagt er, „aber alles kommt zu seiner Zeit.“ Nun möchte er zwei Jahre Berufserfahrung sammeln und dann ein Bachelorstudium für Ergotherapie an der Hochschule absolvieren. Sein Traum ist, seine Fähigkeiten später für „Ärzte ohne Grenzen“ einzusetzen. „Mir wurde so viel geholfen, das möchte ich gerne zurückgeben.“
Auf die Frage, ob er irgendwann einmal in seine Heimat zurückkehren möchte, antwortet Ousman Drammeh mit einem afrikanischen Sprichwort. „Egal wie lang die Nacht sein wird, man kehrt immer zurück nach Hause.“ Zu Hause – das ist für ihn längst Bremen. Hier hat er seinen Platz gefunden, und auch mit seiner Krankheit kann er heute gut leben. Nur in ganz ferner Zukunft soll ihn sein Weg zurück in die Heimat führen: „Zum Sterben werde ich nach Afrika zurückkehren. Das ist Tradition, und Afrika hat mich nicht verloren.“
Die Ergotherapieschule ist eine von insgesamt zwölf Ausbildungsmöglichkeiten in der Gesundheit Nord. In der Bildungsakademie, dem Ausbildungszentrum der Gesundheit Nord, werden insgesamt mehr als 900 Schülerinnen und Schüler in zwölf verschiedenen Gesundheitsfachberufen ausgebildet. Mehr Infos zur Ausbildung erhalten Sie unter www.gesundheitnord.de/ausbildung.
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