Gesundheit Nord Klinikverbund Bremen

"Eine sehr intensive Zeit für das gesamte Team"

Schichtwechsel

Als die weltweit erste Frau mit einem komplett künstlichen Herzen nach Hause entlassen werden kann, ist das ein großer Teamerfolg für das Klinikum Links der Weser. Neun Wochen waren es von der Entnahme des erkrankten Herzens und der Einpflanzung des künstlichen Herzens bis zur Entlassung. Zwei Frauen spielen für die Patientin in dieser Zeit eine besonders wichtige Rolle: VAD-Koordinatorin Katharina Warnke und Physician Assistant Lisa Höveling.

Zum Abschied nehmen Lisa Höveling und Katharina Warnke auf der Bettkante im Patientenzimmer Platz. In ihrer Mitte sitzt die Kunstherzpatientin. Die Drei nehmen sich in den Arm und schauen in die Kamera des Fotografen, der an diesem besonderen Tag eine schöne Erinnerung für die drei aufnimmt. Nach neun Wochen darf die weltweit erste Frau, bei der ein TAH (Total Artificial Heart – also ein komplett künstliches Herz) in ihrer Brust schlägt nach Hause entlassen werden. Und Lisa Höveling und Katharina Warnke sind in dieser Zeit zwei besonders enge Bezugspersonen für die Patientin.

„Es war eine sehr intensive Zeit, die für uns alle eine Besonderheit war“, sagt Lisa Höveling. Für das gesamte Team der Station 82 – einer herzchirurgischen Überwachungsstation – geht es nach der außergewöhnlichen OP darum, die Patientin wieder zu mobilisieren. Viele Menschen spielen dabei eine Rolle - vom ärztlichen Team um Chefarzt Prof. Dr. Jens Garbade und Oberarzt Dr. Michael Schneider über das Pflegeteam bis hin zu Psychologen und Therapeuten. Als Physician Assistant – ein medizinischer Fachberuf und eine Art Bindeglied zwischen Medizin, Pflege und Therapie – laufen in dieser Zeit bei Lisa Höveling viele Fäden zusammen. Durch die schwere Herzerkrankung war die Patientin in den Wochen vor dem Eingriff in einem sehr ernsten gesundheitlichen Zustand. Erst durch den Einsatz des TAH, das nun als Überbrückung bis zu einer möglichen Herztransplantation dient, konnte sie überhaupt weiterleben.

Individuelles Training, erste Erfolge – und besondere Mutmacher

Doch die OP ist erst der Anfang. Denn nun solle die Patientin wieder zu Kräften kommen, bald schon wieder selbständig laufen können. Dafür wird ein individuelles Trainings- und Konditionierungsprogramm gemeinsam mit den Therapieteams entwickelt. Fällt es der Patientin zu Beginn noch schwer zu trinken, zu essen oder zu sprechen, stellen sich bereits nach wenigen Tagen die ersten Erfolge ein. „Der Blick auf die Waage war so ein tägliches Ritual und ein Gradmesser dafür, wie viele Fortschritte wir gemacht haben“, sagt Lisa Höveling. 30 Kilogramm an Wassereinlagerungen muss die Patientin loswerden, die sich in den Wochen vor der OP gebildet hatten. „Auch wenn es gerade stressig im Stationsalltag war, haben wir früh versucht, jeden Tag gemeinsam einmal nach unten in den Park zu kommen, mal ein Eis zu essen, damit sie auch das Leben draußen wieder mitbekommen konnte“, erzählt Lisa Höveling. Hinzu kommen Mut machende Familienbesuche und die Sommerferienzeit, in der der jüngste Sohn der Patientin sogar viele Tage am Stück bei seiner Mutter im Krankenhaus bleiben darf. „Das hat glaube ich einen ganz großen Schub an Zuversicht gegeben“, sagt Lisa Höveling.

Und dann ist da ja vor allem der neue Begleiter im Brustkorb der Patientin. Das TAH – das komplett künstliche Herz. Es ersetzt alle Funktionen des natürlichen Herzens – reagiert zudem auf Belastung und passt seine Pumpleistung entsprechend an. Katharina Warnke ist als VAD-Koordinatorin (VAD steht für Ventricular Assist Device) zusammen mit ihrem Kollegen Frank Lindemann praktisch für alle permanenten Herzunterstützungssysteme, die bei Patientinnen und Patienten implantiert werden, zuständig. Die Zahl der eingesetzten VADs hat sich in der Herzchirurgie im Klinikum Links der Weser seit 2022 praktisch verdoppelt – die Zahl der VAD-Patienten, die fortlaufend vom Klinikum versorgt werden ist von 30 auf 60 gewachsen. Pro Jahr gibt es 20 bis 25 neue Patienten, bei denen eine Implantation nötig wird. Das Team bietet eine 24-Stunden-Hotline, falls im Alltag Fragen oder Unsicherheiten auftauchen. „Wir bereiten die Patienten auf das jeweilige System vor, machen sie mit ihm vertraut und fördern so, dass sie sich mit dem System, das ihnen meist das Leben gerettet hat, anfreunden und es auch als Teil von sich annehmen können“, sagt Katharina Warnke.

Trainingseinheit in Paris

Bei dem neuen kompletten Kunstherz-System (das Modell der Firma Aeson Carmat ist das weltweit einzig zugelassene TAH) war die Vor- und Nachbereitung besonders intensiv. Warnke war Teil der Bremer Reisegruppe, die einige Wochen vor dem spektakulären Eingriff genau diese Operation trainiert hatte – in Paris, dem Sitz der Entwicklerfirma. Eine ihrer Aufgaben war es, das Kunstherz gemeinsam mit dem Team der Perfusionisten (Kardiotechnik) so vorzubereiten und zu prüfen, dass es ohne Probleme eingesetzt werden konnte.

„Wir waren super vorbereitet. Diese intensive Schulung war dem gesamten Team noch sehr präsent, als es dann in Bremen mit der ersten Patientin ernst wurde. Das hat allen Beteiligten zusätzliche Sicherheit gebracht“, sagt Warnke. Schließlich war solch ein System weltweit zuvor erst 65 Menschen implantiert worden – allesamt männliche Patienten. „Das TAH ist etwas größer als ein natürliches Herz“, erklärt Warnke. Und deshalb müssen auch die physiologischen Voraussetzungen – also eine bestimmte Brustkorbgröße - stimmen, damit es überhaupt eingepflanzt werden kann. Da die Patientin aus dem Klinikum Links der Weser ausreichend Platz im Brustkorb hatte, war diese Operation nun erstmals auch bei einer Frau möglich.

Patientin Sicherheit geben

In den Wochen danach kam es dann darauf an, dass die Patientin auch vom Kopf her eins wird mit dem nun komplett künstlichen Herzen, das in ihrer Brust schlägt. Was genau schlägt da jetzt in der Brust, wie werden die Akkus ausgetauscht, auch welche Signale muss man achten? „Bei all diesen Fragen haben wir die Patientin abgeholt und ihr Sicherheit gegeben“, sagt Warnke. Und Lisa Höveling betont: „Wir haben alle unseren Teil dazu beigetragen, dass diese Woche so gut und problemlos verlaufen sind. Das gilt genauso für die Patientin. Ihr Umgang mit der Situation und mit den verschiedenen Emotionen war bewundernswert.“

Mittlerweile haben sich Klinikteam und Patientin beim ersten Kontrolltermin bereits wiedergetroffen. „Und es war sehr berührend, die Patientin wieder voll im Leben stehend zu erleben“, sagt Lisa Höveling. Und dennoch hoffen die beiden, dass die Begegnungen in den kommenden Monaten und Jahren immer seltener nötig werden bzw. weitere Untersuchungstermine sich in ein Transplantationszentrum verlagern. „Denn das wäre dann ein Zeichen dafür, dass die Patientin auf einem guten Weg zum nächsten großen Schritt wäre“, sagt Lisa Höveling. Der Schritt in Richtung einer Herztransplantation.

Was macht ein Physician Assistant? Ein PA – so die Kurzform – dürfen viele Versorgungsaufgaben von Ärztinnen und Ärzten übernehmen. Zum Beispiel Anamneseerhebung, körperliche Untersuchungen, Behandlungsplanung, Verschreibung von Medikamenten, und die Betreuung von Patienten umfassen. Sie können so dazu beitragen, die Arbeitsbelastung von Ärzten zu verringern und den Zugang zu medizinischer Versorgung zu verbessern. Die genauen Zuständigkeiten und der Grad der ärztlichen Aufsicht können je nach Land und Bundesstaat variieren.

Was macht eine VAD-Koordinatorin? Beim Team der VAD-Koordinatoren sind die zentralen Ansprechpartner einer Klinik oder eines Herzzentrums, wenn es um Herzunterstützungssysteme geht. Dabei geht es um die Beratung vor der Operation, die Prüfung der Unterstützungssysteme vor dem Eingriff und die Begleitung und Versorgung nach dem Einsatz eines Unterstützungssystems. Sie ist Ansprechpartner für Patienten, Hausärzte und Kliniken. Außerdem bieten sie eine 24-Stunden-Sprechstunde insbesondere für die immer größer werdende Zahl von Patienten, die im häuslichen Umfeld mit einem Unterstützungssystem leben und bei Fragen oder Unsicherheit jederzeit eine Ansprechpartnerin bekommt. (VAD-Hotline im Klinikum Links der Weser: 0421 879 1880)

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